Sonntag, 17. Februar 2013

Alltagsroutine Yurtenleben


Der Regentest

Die ersten Wochen war das Wetter noch ziemlich sommerlich und heiter. Und dann kam die Stunde der Bewährungsprobe. Wolken zogen auf, der Himmel verdunkelte sich und die ersten Tropfen fielen. Angespannt wirde jeder Planenabschnitt genauestens inspiziert und befühlt. Dies war der Moment, wo unsere kleine heile Welt zumindest teilweise zerbückeln hätte können. Beim Yurtenkauf mussten wir darauf vertrauen, das Joe uns nichts vorgemacht hat, als er sagte, dass die Yurte fast komplett dicht ist. Nur bei langem sehr starken Regen, würde hier und dort immer mal ein Tröpfchen durch sickern. So oder so ähnlich war es dann auch. Leichter, kurzer Regen: null Probleme. Wenn es dann aber mal für ein paar Stunden etwas mächtiger gießt, dann drückt es dort, wo die Plane auf den Holzstreben liegt an manchen Stellen das Wasser durch. Dieses läuft dann die Strebe an der Innenseite der Yurte herunter und tropft irgendwann auf den Tisch, oder den Stuhl, oder die Küche oder aufs Bettb oder auf den Teppich. Das ist natürlich nicht so erfreulich, glücklicherweise sind die größten Lecks aber immer genau dort, wo eine Holzfläche drunter ist, sodass man einfach alle paar Stunden halt mal mit einem Lappen drüber geht und die Symptome weg sind. Das ist doch das Wichtigste in unserer heutigen Zeit: warum sollte man die Ursache beheben, wenn die Symptome leicht zu beseitigen sind. Nee, also Spaß beiseite. Wir würden natürlich was unternehmen, aber das können wir nicht. Das einzige was ginge, wäre die Plane mit einer besseren aus zu tauschen, wofür das Problem aber nicht gravierend genug ist. Dazu regnet es einfach zu selten, als dass sich das lohnen würde. Ganz nebenbei, wer in einer Yurte lebt, bekommt ein wirklich Gefühl und Bewusstsein dafür, wie oft es wie heftig regnet. Logischerweise, man hört ja jeden Tropfen. Und dann stellt man fest, dass es nicht so oft regnet wie man denkt. Die Regengüsse der letzen vier Monate kann ich an meinen zehn Fingern abzählen (oder so ähnlich). Der größte war, als Hurricane Sandy den Osten der USA „verwüstet“ hat. Da hat es fast zwei Tage durch geregnet und aufgrund des Windes sind wir aus Furcht vor umfallenden Bäumen für die Zeit in J&J's Haus geflüchtet.

Die Woche der großen Kälte

Die anfänglichen Temperaturen Mitte Oktober und im November waren nicht wirklich ein Problem. Am Tag war es immer noch ziemlich warm, teilweise sogar sommerlich und nur in der Nacht wurde es immer mal etwas kühl. In dieser Zeit haben wir zu kühlendes Essen in einen Plastikeimer in den Bach gestellt und einen großen Stein drauf gelegt, damit der „Kühlschrank“ nicht weg schwimmt. So habe ich ja auch damals immer schon mein Essen auf Samothraki gekühlt und das funktioniert ausgezeichnet. Bei einer Wassertemperatur von nicht mehr als geschätzten 10 Grad kommt die Sache einem richtigen Kühlschrank schon zeimlich nahe. Waschen/Baden ging in dieser Zeit auch noch recht gut im Bach. Wenn es in der Nacht kalt war, hat uns das nicht wirklich interessiert. Da lagen wir ja eingemummelt in unsere Decken im Bett. So vergingen die Wochen und langsam aber sicher wurde es kälter und kälter. Ab einem bestimmten Punkt haben unsere bisherigen Decken nicht mehr ausgereicht. Da wir zu geizig mit unserem Holz waren (wir wussten ja noch nicht, wieviel wir vebrennen würden), mussten daher andere Geschütze aufgefahren werden. 


Wir holten unsere Daunenschlafsäcke hervor und schliefen die Nächte der nächsten Wochen mumifiziert aber wieder warm. Die Schmerzschwelle war mit etwas unter Null Grad erreicht. Becky wurde zunehmend grummelig, weil sie es hasste wochenlang im Schlafsack zu schlafen und ihr Kopf über die Nacht immer eiskalt blieb. So fingen wir an nicht nur am Tag den Ofen einzuheizen, sondern auch in der Nacht. Der Trick war, die Persönlichkeit des Ofens zu studieren.
Was kann man da studieren, fragt man sich? Jede Menge! Mehr als man denkt. Jeder Ofen verhält sich total anders. Es hat wirklich ungefähr zwei bis drei Monate gedauert, bis wir alle Kniffe mehr oder weniger raus hatten. Wie weit konnten wir die Luftzufuhr öffnen, ohne dass das Holz zu schnell verbrennt, wie weit konnten wir sie schließen, ohne dass das Feuer ausging? Wieviel Holz geht rein? Welches Holz brennt besser (Hart- oder Weichholz)? Wie lange kommt man mit einer vollen Ofenladung hin? Usw. All diese Aspekte beeinflussten natürlich unser Verhalten.

Als erstes fanden wir heraus (wer hätte das gedacht), dass wenn wir Holz für ca. fünf Tage in die Yurte holen und um den Ofen herum aufstapeln, es am Ende viel besser brennt, denn (und hier kommt die Wissenschaft): es trocknet aus! Der Unterschied ist gravierend. Also hatten wir fast zu jeder Zeit fünf Becky-hohe Stapel Holz in der Mitte der Yurte stehen und sobald ein Stapel weg war, wurde er mit neuem Holz von draußen wieder aufgefüllt. 

Maronen-Rösten auf dem Ofen, mit Holzstapeln drum rum

So verbrannten wir zu jeder Zeit immer nur trockenes, fünf Tage geyurtetes Holz. Wenn der Ofen einmal an war, brachten wir die Innentemperatur selbst bei leichten Minusgraden ohne Propleme auf Unterhosen-Klima. 



Wenn wir dem Ofen mal aus Versehen für 20min zu viel Sauerstoff gegeben haben, mussten wir sogar die Tür aufmachen und uns den Schweiß vom Körper lecken (nicht ernst nehmen, war ein Scherz).

Bei einem der Elternbesuche in Connecticut bestellten wir uns online eine riesige Daunendecke. Ich bin es ja gewöhnt für Jahre lang in meinem Schlafsack zu schlafen, doch Becky hatte damit wirklichn ihre Probleme und einige Vorteile hat eine große Decke ja dann doch auch. Kurz vor Weihnachten war die Decke dann da und das Schlafen wurde wirklich angenehmer. Und das Wetter wurde kälter. Dann kam die große Testwoche. Im Radio wurden minus 11 Grad Fahrenheit angesagt (ca. minus 25 Grad Celsius). Bis minus 10 Grad C war alles kein Problem. Die Yurte blieb warm. Minus 25 Grad war aber schon was anderes. Wir konnten sie zwar auch relativ warm halten, doch in Hinblick auf unsere Holzvorräte war der Ofen einfach nur ein schwarzes Loch! Wo die Stapel in der Yurte vorher teilweise über eine Woche gereicht haben, waren sie zu kalten Zeiten innerhalb zwei Tagen weg. Das unangenehmste war, dass der Boden konstant um den Gefrierpunkt war und nur ab Hüfthöhe erträgliche Temperaturen herrschten. Es fehlt halt einfach die Isolierung. Sobald der das Feuer nur ein Bisschen kleiner wurde, fiel die Kälte schlagartig über uns herein. Dem konnten wir natürlich mit mehr Holz entgegen wirken, aber man muss halt ständig nachlegen. Und in der Nacht stopfen wir den Ofen voll bis oben hin und schließen dann komplett die Luftzufuhr, um das Feuer eher schwelend so lange wie möglich in den Morgen hinein zu strecken. So kriegen wir im besten Fall acht Stunden raus, ohne nachlegen zu müssen und ohen am Morgen mit Birkenrinde und Kleinzeug ein komplett neues Feuer starten zu müssen. Dafür wird’s aber in der Nacht dann auch richtig kalt. Wir schlafen müssen mit drei Decken schlafen und unsere coolen Kaputzen-Mützen über stülpen, die wir zu Weihnachten bekommen haben. Gefroren ist da am Morgen trotzdem alles, allerdings nur bei ca. minus fünf Grad und mit frischem Holz ist die Yurte dann innerhalb 15-20 min wieder auf Raumtemperatur. Die Yurte kühlt also schnell aus, heizt sich aber auch schnell wieder auf.

Ein Sache, auf die bei unserem Ofen aufpassen müssen ist, dass wir nicht zu viel Sauerstoff geben. Das erste Mal, dass das passiert ist, war ich alleine zu Hause und war mit Wäsche aufhängengen oder so beschäftigt. Der Ofen war voll mit super altem, leichten, Harz haltigem Weichholz und die Klappen waren weit offen. Plötzlich habe ich Rauch gerochen. Das ist vorher schon immer mal passiert, wenn durch das ständige Holz Rum-und num- Gewurschtel ein paar Spähne auf dem Ofen landen, die dann langsam verglühen. Doch diese Menge an Rauch war ungewöhnlich. Dann stellte ich mit Erschrecken fest, dass einer der Stapel angefangen hat zu qualmen und dabei stellte ich mit noch mehr Erschrecken fest, dass dies durch den großen den großen Fleck glühenden Ofenmetalls verursacht wurde. 



Die rechte Wand des Ofens hat also angefangen rot zu glühen, weil das Feuer drinnen einfach zu heiß war. So hat es den Stapel und den rechten Stützpfosten der Yurte angesengt und die Ofenwand hat sich verzogen. Im Laufe der Wochen ist das noch ein paar Mal passiert, mit drei der vier Ofenwänden und wir haben uns drauf eingestellt.

Ein weiteres Problem der Kälte war, dass ab minus 10 Grad unsere Wasserleitung einfriert. Der Syphon funktioniert tadellos, bis zu ca. minus 10 Grad. Dann ist der Schlauch steif und ich muss ihn aufrollen und neben den Ofen zum Tauen aufhängen und ihn bei wärmeran Wetter wieder auslegen. 

 Geschirr und Wäsche trocknen sowie Schlauch auftauen

Der Bach friert dann auch langsam zu und ich muss mit der Axt ein Loch ins Eis hacken, damit wir unseren blauen 20l-Kanister mit einem Küchentopf Schwenk für Schwenk wieder auffüllen können, um für ca. 3-4 weitere Tage Abwasch- und Kochwasser zu haben. 




 Becky beim Kanister Auffüllen

Da wir beim Duschen mindestens einen vollen Kanister verballern, haben sich unsere weitreichenden Hygienesessions nochmals auf etwas weniger als einmal die Woche verringert. Ist aber kein Problem. Erinnert mich an meine Kindheit und Erzählungen aus der DDR, wo man sich ein bis zwei mal die Woche geduscht hat und sonst kam halt jeden Morgen der altmodische Waschlappen zum Einsatz. Funtioniert und spart Wasser, in unserem Fall einfach eine Frage des Aufwands und der Bequemlichkeit.

Der Schnee



Schnee ist interessant. Schnee fällt leise. Man kann gut schlafen. Schnee ist aber auch verwirrend. Man geht bei gewohnten Lichtverhältnissen zu Bett und wacht bei teilweise stark gedimmter Helligkeit wieder auf. Schnee auf dem Dach macht drinnen alles viel kälter.
Nach jedem Schneefall müssen wir morgens erstmal von innen allen Schnee von der Dachplane klopfen. 




Nicht dass das Gewicht zu groß werden würde (vor einer Woche sind wir mit ca. 60cm auf dem Dach aufgewacht), doch die Yurte heizt sich viel schlechter auf. Außerdem taut es dann direkt auf der Plane und das Wasser drückt durch bzw. Luftfeuchtigkeit kondensiert an der Innenseite der Plane, was wiederum die Temperatur drückt. 



Mit der Luftfeuchtigkeit ist das ganz nebenbei auch so ein kleines Problem. Die Wände sind permanent mit Tropfen übersät. Am Anfang habe ich noch immer mal mit einem Lappen alles trocken gewischt aber am nächsten Tag ist das Kondenswasser zurück. Ganz besonders tritt dieses Problem auf, wenn wir unsere Wäsche, die wir zuvor in einem Waschsalon gewaschen haben, in der Yurte zum Trocknen aufhängen.



Auch das drückt wieder die Temperatur, aber das ist schon ok. Wenns zu feucht wird, dann einfach wieder der Lappen zum Einsatz.
Natürlich müssen wir Schnee schippen. Unsere Terasse, die Brücke und den Pfad zum Auto. 

 unsere eingeschneite Brücke

Jason räumt mit seinem Traktor die Einfahrt vom Haus zur Straße und vom Haus fat bis zu unserer Brücke. Die Einfahrt ist ein ziemlicher Horror für jedes Auto. Viel zu steil, rumpelig und mit Schnee wird sie eine Skipiste. In den ersten zwei Wochen oder so sind wir gar nicht den Berg hoch gekommen. Die Reifen waren zu abgenudelt. Glücklicherweise haben uns Beckys Eltern zu Weihnachten einen Gutschein für vier neue Reifen geschenkt, sodass das nach dem Wechsel kein Problem mehr war. 

 unser eingeschneites Auto neben J&J's Haus
 
Ansonsten ist Schnee einfach nur schön und ich bekomme immer mal das Zucken in den Beinen, wenn sie nach einem Snowboard schreien. 

ein paar visuelle Impressionen aus Yurtenalltag

Marshmallow-Grillen am offenen Ofen


Yurte bei Nacht




Ventilator bläst warme Luft auf den Ofenrohren in Richtung Couch

 

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