Der
Regentest
Die
ersten Wochen war das Wetter noch ziemlich sommerlich und heiter. Und
dann kam die Stunde der Bewährungsprobe. Wolken zogen auf, der
Himmel verdunkelte sich und die ersten Tropfen fielen. Angespannt
wirde jeder Planenabschnitt genauestens inspiziert und befühlt. Dies
war der Moment, wo unsere kleine heile Welt zumindest teilweise
zerbückeln hätte können. Beim Yurtenkauf mussten wir darauf
vertrauen, das Joe uns nichts vorgemacht hat, als er sagte, dass die
Yurte fast komplett dicht ist. Nur bei langem sehr starken Regen,
würde hier und dort immer mal ein Tröpfchen durch sickern. So oder
so ähnlich war es dann auch. Leichter, kurzer Regen: null Probleme.
Wenn es dann aber mal für ein paar Stunden etwas mächtiger gießt,
dann drückt es dort, wo die Plane auf den Holzstreben liegt an
manchen Stellen das Wasser durch. Dieses läuft dann die Strebe an
der Innenseite der Yurte herunter und tropft irgendwann auf den
Tisch, oder den Stuhl, oder die Küche oder aufs Bettb oder auf den
Teppich. Das ist natürlich nicht so erfreulich, glücklicherweise
sind die größten Lecks aber immer genau dort, wo eine Holzfläche
drunter ist, sodass man einfach alle paar Stunden halt mal mit einem
Lappen drüber geht und die Symptome weg sind. Das ist doch das
Wichtigste in unserer heutigen Zeit: warum sollte man die Ursache
beheben, wenn die Symptome leicht zu beseitigen sind. Nee, also Spaß
beiseite. Wir würden natürlich was unternehmen, aber das können
wir nicht. Das einzige was ginge, wäre die Plane mit einer besseren
aus zu tauschen, wofür das Problem aber nicht gravierend genug ist.
Dazu regnet es einfach zu selten, als dass sich das lohnen würde.
Ganz nebenbei, wer in einer Yurte lebt, bekommt ein wirklich Gefühl
und Bewusstsein dafür, wie oft es wie heftig regnet. Logischerweise,
man hört ja jeden Tropfen. Und dann stellt man fest, dass es nicht
so oft regnet wie man denkt. Die Regengüsse der letzen vier Monate
kann ich an meinen zehn Fingern abzählen (oder so ähnlich). Der
größte war, als Hurricane Sandy den Osten der USA „verwüstet“
hat. Da hat es fast zwei Tage durch geregnet und aufgrund des Windes
sind wir aus Furcht vor umfallenden Bäumen für die Zeit in J&J's
Haus geflüchtet.
Die
Woche der großen Kälte
Die
anfänglichen Temperaturen Mitte Oktober und im November waren nicht
wirklich ein Problem. Am Tag war es immer noch ziemlich warm,
teilweise sogar sommerlich und nur in der Nacht wurde es immer mal
etwas kühl. In dieser Zeit haben wir zu kühlendes Essen in einen
Plastikeimer in den Bach gestellt und einen großen Stein drauf
gelegt, damit der „Kühlschrank“ nicht weg schwimmt. So habe ich
ja auch damals immer schon mein Essen auf Samothraki gekühlt und das
funktioniert ausgezeichnet. Bei einer Wassertemperatur von nicht mehr
als geschätzten 10 Grad kommt die Sache einem richtigen Kühlschrank
schon zeimlich nahe. Waschen/Baden ging in dieser Zeit auch noch
recht gut im Bach. Wenn es in der Nacht kalt war, hat uns das nicht
wirklich interessiert. Da lagen wir ja eingemummelt in unsere Decken
im Bett. So vergingen die Wochen und langsam aber sicher wurde es
kälter und kälter. Ab einem bestimmten Punkt haben unsere
bisherigen Decken nicht mehr ausgereicht. Da wir zu geizig mit
unserem Holz waren (wir wussten ja noch nicht, wieviel wir vebrennen
würden), mussten daher andere Geschütze aufgefahren werden.
Wir
holten unsere Daunenschlafsäcke hervor und schliefen die Nächte der
nächsten Wochen mumifiziert aber wieder warm. Die Schmerzschwelle
war mit etwas unter Null Grad erreicht. Becky wurde zunehmend
grummelig, weil sie es hasste wochenlang im Schlafsack zu schlafen
und ihr Kopf über die Nacht immer eiskalt blieb. So fingen wir an
nicht nur am Tag den Ofen einzuheizen, sondern auch in der Nacht. Der
Trick war, die Persönlichkeit des Ofens zu studieren.
Was
kann man da studieren, fragt man sich? Jede Menge! Mehr als man
denkt. Jeder Ofen verhält sich total anders. Es hat wirklich
ungefähr zwei bis drei Monate gedauert, bis wir alle Kniffe mehr
oder weniger raus hatten. Wie weit konnten wir die Luftzufuhr öffnen,
ohne dass das Holz zu schnell verbrennt, wie weit konnten wir sie
schließen, ohne dass das Feuer ausging? Wieviel Holz geht rein?
Welches Holz brennt besser (Hart- oder Weichholz)? Wie lange kommt
man mit einer vollen Ofenladung hin? Usw. All diese Aspekte
beeinflussten natürlich unser Verhalten.
Als
erstes fanden wir heraus (wer hätte das gedacht), dass wenn wir Holz
für ca. fünf Tage in die Yurte holen und um den Ofen herum
aufstapeln, es am Ende viel besser brennt, denn (und hier kommt die
Wissenschaft): es trocknet aus! Der Unterschied ist gravierend. Also
hatten wir fast zu jeder Zeit fünf Becky-hohe Stapel Holz in der
Mitte der Yurte stehen und sobald ein Stapel weg war, wurde er mit
neuem Holz von draußen wieder aufgefüllt.
Maronen-Rösten auf dem Ofen, mit Holzstapeln drum rum
So verbrannten wir zu
jeder Zeit immer nur trockenes, fünf Tage geyurtetes Holz. Wenn der
Ofen einmal an war, brachten wir die Innentemperatur selbst bei
leichten Minusgraden ohne Propleme auf Unterhosen-Klima.
Wenn wir dem
Ofen mal aus Versehen für 20min zu viel Sauerstoff gegeben haben,
mussten wir sogar die Tür aufmachen und uns den Schweiß vom Körper
lecken (nicht ernst nehmen, war ein Scherz).
Bei
einem der Elternbesuche in Connecticut bestellten wir uns online eine
riesige Daunendecke. Ich bin es ja gewöhnt für Jahre lang in meinem
Schlafsack zu schlafen, doch Becky hatte damit wirklichn ihre
Probleme und einige Vorteile hat eine große Decke ja dann doch auch.
Kurz vor Weihnachten war die Decke dann da und das Schlafen wurde
wirklich angenehmer. Und das Wetter wurde kälter. Dann kam die große
Testwoche. Im Radio wurden minus 11 Grad Fahrenheit angesagt (ca.
minus 25 Grad Celsius). Bis minus 10 Grad C war alles kein Problem.
Die Yurte blieb warm. Minus 25 Grad war aber schon was anderes. Wir
konnten sie zwar auch relativ warm halten, doch in Hinblick auf
unsere Holzvorräte war der Ofen einfach nur ein schwarzes Loch! Wo
die Stapel in der Yurte vorher teilweise über eine Woche gereicht
haben, waren sie zu kalten Zeiten innerhalb zwei Tagen weg. Das
unangenehmste war, dass der Boden konstant um den Gefrierpunkt war
und nur ab Hüfthöhe erträgliche Temperaturen herrschten. Es fehlt
halt einfach die Isolierung. Sobald der das Feuer nur ein Bisschen
kleiner wurde, fiel die Kälte schlagartig über uns herein. Dem
konnten wir natürlich mit mehr Holz entgegen wirken, aber man muss
halt ständig nachlegen. Und in der Nacht stopfen wir den Ofen voll
bis oben hin und schließen dann komplett die Luftzufuhr, um das
Feuer eher schwelend so lange wie möglich in den Morgen hinein zu
strecken. So kriegen wir im besten Fall acht Stunden raus, ohne
nachlegen zu müssen und ohen am Morgen mit Birkenrinde und Kleinzeug
ein komplett neues Feuer starten zu müssen. Dafür wird’s aber in
der Nacht dann auch richtig kalt. Wir schlafen müssen mit drei
Decken schlafen und unsere coolen Kaputzen-Mützen über stülpen,
die wir zu Weihnachten bekommen haben. Gefroren ist da am Morgen
trotzdem alles, allerdings nur bei ca. minus fünf Grad und mit
frischem Holz ist die Yurte dann innerhalb 15-20 min wieder auf
Raumtemperatur. Die Yurte kühlt also schnell aus, heizt sich aber
auch schnell wieder auf.
Ein
Sache, auf die bei unserem Ofen aufpassen müssen ist, dass wir nicht
zu viel Sauerstoff geben. Das erste Mal, dass das passiert ist, war
ich alleine zu Hause und war mit Wäsche aufhängengen oder so
beschäftigt. Der Ofen war voll mit super altem, leichten, Harz
haltigem Weichholz und die Klappen waren weit offen. Plötzlich habe
ich Rauch gerochen. Das ist vorher schon immer mal passiert, wenn
durch das ständige Holz Rum-und num- Gewurschtel ein paar Spähne
auf dem Ofen landen, die dann langsam verglühen. Doch diese Menge an
Rauch war ungewöhnlich. Dann stellte ich mit Erschrecken fest, dass
einer der Stapel angefangen hat zu qualmen und dabei stellte ich mit
noch mehr Erschrecken fest, dass dies durch den großen den großen
Fleck glühenden Ofenmetalls verursacht wurde.
Die rechte Wand des
Ofens hat also angefangen rot zu glühen, weil das Feuer drinnen
einfach zu heiß war. So hat es den Stapel und den rechten
Stützpfosten der Yurte angesengt und die Ofenwand hat sich verzogen.
Im Laufe der Wochen ist das noch ein paar Mal passiert, mit drei der
vier Ofenwänden und wir haben uns drauf eingestellt.
Ein
weiteres Problem der Kälte war, dass ab minus 10 Grad unsere
Wasserleitung einfriert. Der Syphon funktioniert tadellos, bis zu ca.
minus 10 Grad. Dann ist der Schlauch steif und ich muss ihn aufrollen
und neben den Ofen zum Tauen aufhängen und ihn bei wärmeran Wetter
wieder auslegen.
Geschirr und Wäsche trocknen sowie Schlauch auftauen
Der Bach friert dann auch langsam zu und ich muss
mit der Axt ein Loch ins Eis hacken, damit wir unseren blauen
20l-Kanister mit einem Küchentopf Schwenk für Schwenk wieder
auffüllen können, um für ca. 3-4 weitere Tage Abwasch- und
Kochwasser zu haben.
Becky beim Kanister Auffüllen
Da wir beim Duschen mindestens einen vollen
Kanister verballern, haben sich unsere weitreichenden Hygienesessions
nochmals auf etwas weniger als einmal die Woche verringert. Ist aber
kein Problem. Erinnert mich an meine Kindheit und Erzählungen aus
der DDR, wo man sich ein bis zwei mal die Woche geduscht hat und
sonst kam halt jeden Morgen der altmodische Waschlappen zum Einsatz.
Funtioniert und spart Wasser, in unserem Fall einfach eine Frage des
Aufwands und der Bequemlichkeit.
Der
Schnee
Schnee
ist interessant. Schnee fällt leise. Man kann gut schlafen. Schnee
ist aber auch verwirrend. Man geht bei gewohnten Lichtverhältnissen
zu Bett und wacht bei teilweise stark gedimmter Helligkeit wieder
auf. Schnee auf dem Dach macht drinnen alles viel kälter.
Nach
jedem Schneefall müssen wir morgens erstmal von innen allen Schnee
von der Dachplane klopfen.
Nicht dass das Gewicht zu groß werden
würde (vor einer Woche sind wir mit ca. 60cm auf dem Dach
aufgewacht), doch die Yurte heizt sich viel schlechter auf. Außerdem
taut es dann direkt auf der Plane und das Wasser drückt durch bzw.
Luftfeuchtigkeit kondensiert an der Innenseite der Plane, was
wiederum die Temperatur drückt.
Mit der Luftfeuchtigkeit ist das
ganz nebenbei auch so ein kleines Problem. Die Wände sind permanent
mit Tropfen übersät. Am Anfang habe ich noch immer mal mit einem
Lappen alles trocken gewischt aber am nächsten Tag ist das
Kondenswasser zurück. Ganz besonders tritt dieses Problem auf, wenn wir unsere Wäsche, die wir zuvor in einem Waschsalon gewaschen haben, in der Yurte zum Trocknen aufhängen.
Auch das drückt wieder die Temperatur, aber
das ist schon ok. Wenns zu feucht wird, dann einfach wieder der
Lappen zum Einsatz.
Natürlich
müssen wir Schnee schippen. Unsere Terasse, die Brücke und den Pfad
zum Auto.
unsere eingeschneite Brücke
Jason räumt mit seinem Traktor die Einfahrt vom Haus zur
Straße und vom Haus fat bis zu unserer Brücke. Die Einfahrt ist ein
ziemlicher Horror für jedes Auto. Viel zu steil, rumpelig und mit
Schnee wird sie eine Skipiste. In den ersten zwei Wochen oder so sind
wir gar nicht den Berg hoch gekommen. Die Reifen waren zu abgenudelt.
Glücklicherweise haben uns Beckys Eltern zu Weihnachten einen
Gutschein für vier neue Reifen geschenkt, sodass das nach dem
Wechsel kein Problem mehr war.
unser eingeschneites Auto neben J&J's Haus
Ansonsten
ist Schnee einfach nur schön und ich bekomme immer mal das Zucken in
den Beinen, wenn sie nach einem Snowboard schreien.
ein paar visuelle Impressionen aus Yurtenalltag
Yurte bei Nacht
Ventilator bläst warme Luft auf den Ofenrohren in Richtung Couch
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